Facebook Watch is coming to town…
In einem Blogpost hat Facebook angekündigt, seinen Algorithmus erneut zu verändern: Silent Videos und Facebook Live sind die Verlierer, ab sofort werden Shows und Serien gepusht.
Facebook sagt, es trage mit diesen Veränderungen den Bedürfnissen der Nutzer nach wiederkehrenden Inhalten Rechnung, aber naheliegender ist, dass das Unternehmen alles tut, um die Verweildauer seiner Nutzer auf der Plattform zu erhöhen. Schließlich bietet der Newsfeed nur sehr begrenzten Platz für Werbung — und bei längeren Videoformaten lassen sich leichter Midroll-Ads unterbringen. Auch Pre-Rolls wird das Unternehmen ab Januar bei längeren Formaten testen. Verlierer dieser Entwicklung werden ad hoc Live-Streams und die kurzen “Silent Videos” sein, von denen Publisher derzeit noch große Mengen produzieren. Dazu passt, dass Facebook seine Unterstützung für die Produktion von derartigem Content (auch von Live Videos) für den News Feed wohl zum Jahresende einstellen will.
Kontext: Neuer Trend — Short Form Video
Mit der weiter wachsenden Nutzung von Smartphones steigt die Nachfrage nach sogenannten “Short Form Videos”, insbesondere nach Serien mit Episoden bis 20 Minuten Länge. Immer mehr Publisher sehen darin eine Zukunft, weil Mini-Episoden der kurzen Aufmerksamkeitsspanne von Smartphone-Nutzern Rechnung tragen (* aka Goldfisch-Syndrom).
Facebook Watch in a nutshell
Im August hat Facebook in den USA die Plattform Watch gestartet. Wann der Rest der Welt damit beglückt wird, ist noch nicht bekannt. In Amerika jedoch bezahlt Facebook seit Längerem einige Publisher und Content Creator für ihre Experimente mit Watch: Buzzfeed gehört dazu, das Social Media Team von Real Madrid ebenso.
Facebook Watch bietet Serien, Shows und Sport-Übertragungen eine Heimat. In den USA funktioniert es über einen eigenen Tab. Außerdem ist die Plattform über Connected TV erreichbar: Apple TV, Amazon Fire TV, Android TV und Samsung Smart TV. Damit ist Facebook auf dem Fernsehgerät angekommen und endgültig zur Konkurrenz für YouTube und Amazon, aber auch für etablierte TV-Sender geworden.
Die Zielrichtung ist klar: Watch soll das Fernsehen als Lagerfeuer der Nation ablösen, indem es Menschen beim Schauen von Shows, Sport-Übertragungen oder Serien über den Chat miteinander ins Gespräch bringt. „Engagement“ ist das Zauberwort. Hier liegt der wichtigste Unterschied zu anderen Plattformen: Weder Netflix, noch Amazon, Hulu oder YouTube ermöglichen gemeinsames Binge-Watching, hier sitzt jeder für sich alleine vor dem Screen. Watch ermöglicht es Nutzern über das Netzwerk gemeinsam Content zu konsumieren und im Chat darüber zu reden, auch wenn sie sich Tausende von Kilometern voneinander entfernt aufhalten.
„The thing we think is unique about Watch is, it’s designed for content you are watching and talking about on the same screen. For that, we think the type of content that will work well is shorter than what you are used to seeing on television, but longer than what you see on News Feed.“
Zum Beispiel “Returning the Favor”
Eine der Shows, die bereits Erfolg auf Facebook hatten, ist “Returning the Favor” — eine Show, in der es um das Gute im Menschen geht. Der in Amerika bekannte Schauspieler und TV-Host Mike Rowe (CNN’s “Somebody’s Gotta Do It”) besucht Menschen, die anderen Gutes getan haben. Die Hinweise dafür kommen aus seiner Community, zu der er auch während der Show Kontakt hält (z.B. durch behind the scenes Sequenzen, in denen er sich direkt an das Publikum wendet“). Spoiler Alert: Am Ende jeder Episode werden die guten Menschen ihrerseits von der Community belohnt.
Für Mike Rowe hat sich Facebook bereits vor dem Start von Watch als eine Plattform erwiesen, wo er ein Millionenpublikum erreichen kann. Rowe hat 5 Millionen Fans auf Facebook und glaubt, dass seine Show auch deshalb so gut auf Facebook funktioniert, weil sie weniger glattpoliert ist, als vergleichbare TV-Shows. “I’ve made a lot TV over the years, and lately I’ve made more video at my kitchen table — it’s shocking how many people I can reach without any overhead,” so Rowe, der hinzufügt, dass “Returning the Favor” durchaus eine vollwertige Produktion in Zusammenarbeit mit einer Produktionsfirma sei.
Etablierte Medien müssen kämpfen
Die Konkurrenz für etablierte Medien wird mit der Algorithmus-Umstellung noch einmal härter: Im Grundsatz kann jeder zum erfolgreichen Content Creator auf Facebook werden, der eine starke Community hat, die kommentiert und shared. D.h.: Es kann prinzipiell auch jeder Geld durch Shows und Live-Übertragungen (bzw. durch Werbepausen oder branded content) verdienen. Facebook hat daran ein Interesse, denn das Unternehmen verdient mit: Derzeit gehen jeweils 45% der Werbeeinnahmen an Facebook.
Journalistische Reportagen über Facebook Live oder kurze Nachrichtenvideos hingegen werden es künftig schwerer haben, sich im News Feed der Nutzer zu behaupten.
Sportredaktionen bekommen gleich doppelt Konkurrenz: Zum Einen, weil Facebook Rechte kauft, zum Anderen, weil Vereine und Ligen ihren Content und ihre Stars nun selber über Shows auf Facebook vermarkten und ihre eigenen Communities pflegen.
Aber es gibt auch Chancen: Medien und Sendungen, die sich bereits eine stabile Community aufgebaut haben, bekommen neues Spielfeld — versehen mit der Möglichkeit, auf der Basis von Datenanalysen noch genauer das zu bieten, was sich die Community wünscht. Auch vermeidliche Nischenangebote können durch Facebook Watch groß werden. Denn anders als im TV findet sich im Internet für fast alles eine ausreichend große Nutzergemeinde — vorausgesetzt, der Content ist relevant.
Das ist doch immerhin etwas — so kurz vor Weihnachten….