Engagement-Tief auf Facebook: Google gewinnt wieder an Gewicht
Erste Publisher ändern ihre Social Media-Strategie
Google und Facebook liefern sich weiter ein Rennen darum, wer weltweit als wichtigster Referrer gelten darf. Gleichzeitig ist 2017 das Facebook-Engagement — selbst für Videos — zurückgegangen.
Nachdem Facebook im Hinblick auf Referral Traffic lange die Nase vorne hatte, lenkte kürzlich wieder Google die meisten User auf die Seiten von Publishern.
Dabei sei das Format mit entscheidend dafür, ob ein User eher über Facebook oder über Google auf einer Detailseite lande, so das Ergebnis einer Studie des auf User Engagement spezialisierten Startups Parse.ly. Zwei Jahre lang hätten dessen Datenanalysten den Referral Traffic auf 700 Kundenseiten untersucht und dabei u.a. festgestellt, dass Longreads (mehr als 1000 Wörter) eher über Google angesteuert würden, während Videonutzer überdurchschnittlich oft über Facebook zu einem Angebot fänden.
Auch inhaltlich gebe es nachweisbare Unterschiede: So sei Google der bedeutendere Referrer für Wirtschaftsthemen, Technologie und Sport, während Facebook mehr Nutzer von Entertainment-, Lifestyle-, Politik und lokalem Content auf die Seiten von Medienunternehmen lenke.
Webseiten: Longreads laufen besser als Videos
Der gegenwärtige Videoboom wird oft mit dem Hinweis auf bessere Engagementraten im Vergleich zu Textcontent befeuert. Doch die Parse.ly-Studie zeigt, dass auf den untersuchten Webseiten Longreads ein fast doppelt so hohes Engagement erzeugten wie Videos. Und selbst im Vergleich zu kurzen Artikeln (weniger als 200 Wörter) wiesen Videos noch eine 30% niedrigere Engagementrate auf. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um Engagement, das auf Webseiten, nicht in Sozialen Netzwerken stattfindet!
Konsequenzen für Content-Strategien
Für Publisher heißt das: Möchte man die Nutzung der eigenen Seite ausbauen, sich also nicht allein auf externe Plattformen wie Facebook verlassen, braucht es eine Content Strategie, die sich deutlich von der gängigen Social Media Strategie „Videos, Videos, Videos“ unterscheidet: Auf eigenen Plattformen kann es sich beispielsweise lohnen, auf SEO-optimierte Longreads zu setzen. Videocontent bringt hier nicht viel — auch im Kosten-Nutzen-Vergleich. Slideshows hingegen sind laut der Studie eine gute Alternative, da sie vergleichsweise viel Engagement bei geringen Kosten (im Vergleich zur Video-Produktion) bringen.
BuzzSumo: Facebook-Engagement sinkt
Anders das Bild auf Facebook: Hier gelten Videos für Publisher als Schlüssel zum Erfolg und die Plattform investiert weiterhin in den Trend (Live Video, Watch). Allerdings haben eine ganze Reihe von Studien in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die Welt nicht ganz so einfach ist: Das allgemeine Engagement auf Facebook geht zurück. Und selbst Video Content ist betroffen. Analysten des Startups BuzzSumo haben nach eigenen Angaben 880 Millionen Facebook-Posts untersucht (Publisher und Brands), und die Ergebnisse ihrer Studie bestätigen nicht quantifizierte Beobachtungen in unseren DW-Redaktionen: Trotz des allgemein postulierten Videobooms sind die Facebook-Engagements seit Januar teilweise zurückgegangen, laut der Studie durchschnittlich um rund 20 Prozent.
Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass Facebook jüngst intensiv an seinem Algorithmus geschraubt hat, um im Zuge der Fake News-Debatte glaubwürdige Quellen gegenüber zweifelhaften aufzuwerten. Diese Experimente könnten den Organic Reach bestimmter Angebote — und damit einhergehend deren Engagement Rate — beeinträchtigt haben. Facebook selbst erklärt den Engagement-Rückgang schlicht mit dem gewachsenen Wettbewerb auf seiner Plattform: Immer mehr Videos kämpften um einen Platz auf der Timeline, und nicht alle könnten dabei gleich erfolgreich sein.
Wohlfühlcontent für lange Verweildauer
Unabhängig vom Engagement-Tief zielt Facebook weiterhin auf eine möglichst lange Verweildauer seiner Nutzer, auf einen hohen Wohlfühlfaktor — nicht etwa die umfassende Information der Nutzer. Denn: Wer lange bleibt, dem kann viel Werbung angezeigt werden.
Dabei verfolgt das Unternehmen die im Silicon Valley bewährte „Double Down“ Strategie: Mache mehr von dem, was die User lieben. Folgerichtig setzt Facebook auf Videos statt auf Text. Und verdient an der Vorliebe seiner Nutzer für Videos: Während auf der Timeline der Platz für Anzeigen langsam knapp wird, erschließt sich Facebook über Midroll-Ads neue Einnahmequellen und kann sogar davon träumen, den Fernsehsendern Werbebudgets abzujagen. Unklar ist, ob sich für Videoproduzenten der Aufwand lohnt. Im Moment verdient jedenfalls außer Facebook kaum jemand am Video-Boom auf der Plattform.
Plattform-Fokus ist „veraltetes Denken“
Einige Publisher wenden sich deshalb bereits aktiv anderen Plattformen zu: Laut dem Branchendienst Digiday UK fokussiert sich CNN derzeit verstärkt auf AppleNews und Snapchat, während das Social Media Team von NBC wieder mehr Links auf Facebook poste, um den Traffic — und damit die Werbeeinnahmen — auf die eigenen Seiten umzulenken. HuffPost wiederum, ein Content-Gigant auf Facebook, baue derzeit seine Präsenz auf Twitter und Instagram strategisch aus, u.a. weil hier im Vergleich zu Facebook ein größeres Wachstumspotential gesehen werde. HuffPost stellt angeblich sein Social Media Team dahingehend neu auf, dass nicht mehr plattform-zentriert, sondern nur noch themen- und nutzer-zentriert vorgehen soll. Digiday zitiert Ethan Klapper, HuffPosts Global Social Media Editor: „Diese Neuaufstellung ist eine Antwort auf die veränderten Gewohnheiten unserer Nutzer und ein Versuch, neue Zielgruppen zu erschließen und weiter zu wachsen. Die Fokussierung auf einzelne Plattformen ist für uns veraltetes Denken, das dazu führt, dass man aus dem Blick verliert, wonach Nutzer eigentlich suchen.“